Die Sache ist sehr einfach: Wenn Sie Johanna Wassers Bände eins und zwei aus ihrer Rainbowland-Trilogie gelesen haben, werden Sie den letzten Band verschlingen. Dann erübrigt sich jedes Wort.
Sollten Sie die ersten beiden Bände nicht kennen … nun ja, dann fangen Sie mit dem hier (Link zu Amazon) an. Sie fragen, warum? Weil er in meinen Augen all das zeigt, was Johanna Wassers Kunst ausmacht. Sie werden nach 50 Seiten feststellen, dass Sie Band eins lesen wollen – und dann sind Sie eh infiziert.
Neugierig genug? Ich lege mal los. Die Rainbowland-Trilogie beschreibt die Liebe eines Mädchens zu einem Jungen. Annie geht in München zum Gymnasium, ist 16 oder 17 (je nach Fortschritt der Bücher); Leonardo ist älter, hat dunkle Locken wie ein Popstar und – und ist eben nicht nur von dieser Welt. Und schon beginnt die Schwierigkeit. Wie weit soll die Nacherzählung gehen, was darf man verraten von einer Geschichte, die ungeheuer komplex ist, aufregend, nachdenklich machend und wahrhaft weltenumspannend?
Es geht um Sieben Welten. Diese Welten sind in Gefahr. Die eine Welt, die, in der Annie lebt und zur Schule geht und Freundinnen und Brüder hat und eine Mutter (aber eben keinen Vater), bildet die Basis, um die anderen Welten zu retten vor dem Bösen, vor der Zerstörung, vor dem Untergang.
Das hört sich krude an, finden Sie. Dann lassen Sie mich ein paar Worte verlieren über Johanna Wassers Erzählstil. Kurz, er ist einer der besten, die ich bei Fantasy-Werken jemals gelesen habe. Sie beherrscht die Sprache, sie beherrscht das Genre, sie spielt mit mehr als einem Dutzend Protagonisten, Lehrern, Bildern, Häuser, Eltern, Freunden, einem Efeu, der spricht, zwei Linden, schneckenähnlichen Wesen, Toten, Zwischenweltenwesen, Totgeglaubten. Sie jongliert mit ihnen. Sie sind alle präsent und sehr, sehr nachvollziehbar.
Ich zitiere mal die ersten Sätze aus Band drei, Leonardo denkt …
Es fühlte sich an wie das Ende. Völlig erschöpft wie nach einer langen Reise, die mir alles abverlangt hatte, lag ich im hohen Gras und starrte vor mich hin. Es hatte funktioniert. Ich war zu einem leeren Blatt geworden, das bereit war, neu beschrieben zu werden. Ein weißes Blatt Papier, das dafür ausersehen war, Geschichte zu schreiben. Dies waren ihre Worte gewesen. Bumm, bumm, bumm. Mein Herz klopfte immer lauter.
Das Gute an dieser Trilogie? Dreierlei: (1) Wassers ungeheure Fantasie. Die scheint uferlos, und doch zeigt sie in Aufbau und Bearbeitung eine große Disziplin – (2) Spannung, ja, glauben Sie mir ruhig! Wie sich Annie und Leonardo finden und verlieren und wiederfinden und wie sie versuchen, sich nicht zu vergessen, wie sie schwanken zwischen ihrer Liebe (ist die echt und wahr?) und der Verantwortung für das Ganze – das ist ungeheuer spannend – (3) Kitschlosigkeit. Viele Werke aus diesem Genre sind seifig-süß; sie siedeln zwischen Poesiealbum und einem krachwummigen Ist-doch-Fantasie-geht-doch-Alles. Wassers Werk ist ernst. Streckenweise sogar brutal. Und ob es das obligatorische Happyend gibt, wird nicht verraten. Ein fette Überraschung am Ende sei auf jeden Fall angekündigt.
Johanna, dir nur das Beste mit diesen rund 500 Seiten pro Band!