Nun macht er es mal anders. Einer der erfolgreichsten Selbstverleger bleibt zwar im Genre Kriminalroman, aber die Zeit wechselt. Thomas Herzberg setzt neben seine mittlerweile sechzehnteilige Wegner-Reihe etwas Neues.
Hamburg 1946. Die Stadt ist beinahe völlig zerstört, die Überlebenden kauern in Ruinen, hungern und leiden an den Folgen des Krieges. Der Schwarzmarkt blüht. Wer überleben will, versetzt Wertgegenstände oder verkauft seinen Körper. Elend, wohin das Auge blickt; die öffentliche Ordnung wird von den englischen Besatzern nur mühsam aufrechterhalten. Die fackeln nicht lange; die Gerichtsbarkeit der Besatzer liefert Todesurteile im Stundentakt.
In diese dunkle Szenerie bringt Herzberg einen neuen Kommissar ein: Hermann Thiesen, jung, verheiratet, drei Kinder, eines schwer erkrankt, Penicillin oder Tod, das sind die Aussichten. Bei Regen tropft es in die Wohnung. Jeder trägt sein Kreuz; einige gedanklich immer noch das Hakenkreuz. Drei junge Frauen sind ermordet worden, niemand hat Anhaltspunkte, die Mittel polizeilicher Ermittlung erschöpfen sich in Fragen, Denken, Stochern, Denken, Razzien. Schon die Fahrt zum Ort der Tat … man ist froh, wenn die Tommys einen im Jeep kutschieren – oder wenn sich einer halbwegs auf dem Schwarzmarkt auskennt und für ein paar Momente die Skrupel überspielt, die der neue Oberkommissar als überzeugter Hüter der Ordnung mit der Muttermilch eingesaugt hat. Es geht ums Überleben. Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral, Brecht. Dreigroschenoper. Das passt bei diesem Werk als Motto.
Herzbergs andere Hauptfigur Manfred Wegner kann sehr brutal sein. Der Typ haut einfach zu; Folter als Mittel des Beweissammelns gehört zu Wegners Repertoire. Bei Schutt und Asche spielt brutales Vorgehen eine Nebenrolle. Hier ist es die Situation, die Beschreibung des Alltags, die Korruption, die Angst – und die Machtverhältnisse. Das Buch ist ungeheuer spannend, die Personen auf weitere Folgen angelegt, Zeit und Stadt gut beschrieben.
Würde ich das auch sagen, wenn ich das Werk nicht bearbeitet hätte?
Ja, auf jeden Fall. Es ist Herzbergs neue andere Seite. Bravo!