In neuem Gewand. Jane Petermanns Buch Der Scheinquittensammler – 2190 Nächte habe ich schon vor mehr als einem Jahr bearbeitet; sie hat es nun selbst erneut aufgelegt, überdies wird es derzeit ins Englische übersetzt. Es ist eines der schwierigsten Bücher, die ich jemals auf meinem Schreibtisch hatte. Das liegt nicht an den schreiberischen Fähigkeiten der Autorin, natürlich ein Pseudonym, im Gegenteil. Das liegt am Thema.
Worum geht es? Frau Petermann hat als gestandene Frau die echten Briefe ihres echten Onkels nach dessen Tod gefunden. Der gesteht darin, dass er sie über Jahre hinweg als Kind missbraucht hat. Frau Petermann macht daraus: eine Anklage gegen Kindesmissbrauch, wie sie bisher nicht veröffentlicht wurde.
Einerseits zitiert sie aus den Briefen, unzensiert, offen und brutal in der Denkart, in der Vorstellung und in der völlig verrohten Sprache des Vergewaltigers. In dieser Neuauflage hat sie den Mut, diese Sprache offenzuliegen in ihrer ganzen sinnentleerten perversen Absurdität. Andererseits überhöht sie das Erlebte (das sie erst beim Lesen der Briefe begriff, der Täter war Chemiker und konnte sie leicht sedieren) auf eine sehr subtile literarische Art. Erträglich ist dieses Buch gerade durch die literarische Verarbeitung, die Fantasie der Autorin und die feine Sprache.
Dennoch ist das Buch sogar beim Lesen schmerzhaft. Es tut weh. Man stoppt, hört auf, legt das Buch weg. Man will nicht mehr. Und dennoch kann ich dieses Buch nur empfehlen. Die Lektüre ist peinigend und hochgradig ungewöhnlich – und über weite Strecken rein schriftstellerisch auch ein Genuss.
Das hat auch andere überzeugt – und die Autorin gestärkt. Jane Petermann hat den Mut gefunden, mit ihrem Buch auf Lesungen zu gehen.
Nachtrag, 22. Februar 2016, die erste Rezension; es lohnt sich, sie zu lesen. Klicken Sie hier.